...Glasnegative:
Ein Glasnegativ sind das Ergebnis eines alten fotografischen Prozesses, wie er seit etwa fünfzig Jahren praktisch ausgestorben ist. Dabei wird eine Glasplatte, auf die eine fotochemischen Emulsion aufgetragen wurde, als Aufnahmemedium in einer sogenannten Plattenkamera verwendet. Durch die Entwicklung dieser industriell hergestellten Fotoplatte erhält man ein Glasnegativ, bei dem das fertige Negativ fest mit der Glasplatte als Träger verbunden ist. Ähnlich dem heutigen Planfilm von Großformat-Fachkameras paßt auf eine solche Fotoplatte genau ein Bild -- ein signifikanter Unterschied zu zeitgenössischen und heutigen Zelluloidfilmen im Kleinbild- und Mittelformat.
Fotoplatten gab es wie die dafür benötigten Kameras in verschiedenen Formaten, weitverbreitet waren Größen von 9×12cm oder 6,5×9cm, aber es gab auch kleinere und größere Glasplatten. Gerade in der Amateurfotografie wurden Bilder in Originalgröße abgezogen (also nicht vergrößert), wodurch sich eben diese doch recht stattlichen Formate erklären. Verkauft wurden sie in lichtdichten Pappschachteln zu zehn Stück oder einem Dutzend.

Die alten Fotoplatten, die man heute üblicherweise findet, sind fast ausschließlich sogenannte Gelatine-Trockenplatten. Erfunden wurde sie Anfang der 1870er Jahre, und sie setzten sich schnell aufgrund ihrer höheren Lichtempfindlichkeit und besseren Haltbarkeit und Transportierbarkeit im Vergleich zu älteren Verfahren durch. Ab etwa 1910 wurden die meisten von ihnen mit panchromatischem Schwarz-Weiß-Film versehen, wodurch sie auf alle Wellenlängen (Farben) des Lichts gleichmäßig reagieren und einen "natürliches" Schwarz-Weiß-Foto als Endprodukt ermöglichten. Über die Jahre wurde die Empfindlichkeit immer weiter gesteigert, so daß in den 1920er und 1930er Jahren Filmempfindlichkeiten von umgerechnet ASA/ISO 10 oder 12 üblich waren. Es wurden also trotzdem gut achtmal so lange Belichtungszeiten benötigt wie mit heutigen, "langsamen" ASA/ISO 100 Filmen!
Als fotografisches Medium zeichnen sich Fotoplatten durch eine Reihe von Vor- und Nachteilen aus. Für den Fotografen sicherlich lästig war ihr hohes Gewicht und ihre umständliche Handhabung. Die einzelnen Fotoplatten mußten im Dunkeln in metallene (oder hölzerne) Filmhalter getan werden, welche dann einzeln in der Kamera verwendet wurden. Ein unbemerkter Fehler beim Einstellen der Belichtung oder Fokussierung konnte das Bild ruinieren, was natürlich ein teuerer Spaß war. Die Fotoplatten waren zudem umständlich zu entwickeln, da sie sich im Gegensatz zu normalen Filmen nicht rollen ließen. Zudem gab es mit Filmen mit Zelluloid als Trägermaterial ab Ende des 19. Jahrhunderts ein in vieler Hinsicht praktischeres Medium, welches anfangs zwar qualitativ schlechter war, aber ab spätestens 1930 den alten Fotoplatten den Rang ablief (z.B. unter dem Gesichtspunkt der Filmempfindlichkeit und Handhabbarkeit). Die fertigen Glasnegative waren natürlich noch immer relativ schwer, nahmen viel Platz weg und waren natürlich zerbrechlich (da sie ja aus Glas sind).
Dennoch haben Fotoplatten auch Vorteile. Im Gegensatz zum Zelluloid ist das gläserne Trägermaterial praktisch unempfindlich gegen äußere Umwelteinflüsse wie Hitze oder Chemikalien, wodurch sich Glasnegative bei guter Lagerung durch eine deutliche längere Lebensdauer auszeichnen. Sie verknicken oder rollen sich nicht, wodurch sich Probleme mit der Planlage des Films erübrigen und sie sich ferner einfacher abziehen lassen. Nicht zuletzt lassen sie sich auch völlig unproblematisch mit einem Flachbettscanner mit Durchlichteinheit digitalisieren. Ihre niedrige Filmempfindlichkeit hat heute den Vorteil, daß sie -- falls sie korrekt belichtet und entwickelt wurden -- unglaublich feinkörnig sind und sich selbst kleinste Details noch erkennen lassen. Ihr großes Format führt oft zu phantastischen Grauverläufen und einer sehr schönen Unschärfezeichnung.
Anders als bei den allermeisten Zelluloidfilmen ist ihr Trägermaterial absolut klar, wodurch Glasnegative gegen eine Lichtquelle gehalten unmittelbar ihre Schönheit preisgeben. Sie sind folglich ein äußerst ästhetisches und in gewisser Weise auch recht widerstandsfähiges Medium. Gerade weil sie darüber hinaus oft von Fotoamateuren im privatem Umfeld verwendet wurden, sind sie heute buchstäblich ein Fenster in eine vergangene Welt. Jedoch lag es auch in der Natur des Mediums, daß die komplizierten und teueren Fotoplatten für besondere Anläße wie Familientreffen reserviert wurden, weswegen echte Schnappschuß- oder Alltagsaufnahmen bei Glasnegativen eher selten sind.